Der Tüftler der die Fäden zieht
„Wir halten alle Fäden in der eigenen Hand“, scherzt André Gall. Der Gründer von WireStyle schafft mit seinem Team und den selbstentwickelten Maschinen Kunstwerke aus tausenden Nägeln und einem kilometerlangen Faden. Als Vorlage dient ein Foto oder eine Grafik. Den Rest erledigt seine Software und die Maschinen – in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Für das millionenfache Schneiden der Nägel vertraut Gall auf Präzisionswerkzeuge der Tübinger Paul Horn GmbH. Mit dem System S274 schneidet und hämmert die Nagelmaschine bis zu 12 Nägel pro Sekunde in die Kunststoffplatten.
Ein gerahmtes Foto hat wahrscheinlich fast jeder an einer Wand in seinem Zuhause hängen. Wer vor einigen Jahren noch ein Foto als ein Fadenbild aufhängen wollte, wandte sich hierfür an einen Künstler. Dies war jedoch so zeitaufwändig und kompliziert, dass solche Bilder kaum erschwinglich waren. Darüber hinaus betrug die Lieferzeit solcher Kunstwerke eine lange Zeit. „Mein damaliger Nachbar kam auf mich zu und sagte, dass er seiner Freundin ein Fadenbild schenken wolle. Der Aufwand war ihm jedoch zu groß. So schrieb er die Software, mit der man solche Bilder automatisiert herstellen kann“, erzählt Gall. André Gall studierte Physik an der Universität Karlsruhe (KIT). Neben der Physik hatte Gall schon immer ein großes Interesse an Maschinenbau und der Produktionstechnik. So baute er die ersten Prototypen für die Nagel- und Fadenmaschinen. Das Unternehmen Wirestyle war damit geboren. Im Jahr 2022 präsentierte Gall seine Bilder in der bekannten TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“.
Feine Details
Herkömmliche Bilder werden mit Farbpigmenten gedruckt. Bei einem Fadenbild erzeugt ein einziger langer Faden die Kontraste im Bild. „Lustigerweise bleiben die Betrachter, welche zum ersten Mal ein Fadenbild sehen, davor stehen und suchen den Fadenanfang, oder die hinter dem Faden versteckte Druckerfarbe, die es natürlich nicht gibt. Dies ist verständlich, denn per Hand könnte man solche Details mit einem Faden kaum so akkurat abbilden, wie wir es tun“, erklärt Gall.
Um den genauen Pfad des Fadens zu bestimmen, entwickelte das Wirestyle-Team komplexe Computeralgorithmen. Die Software identifiziert hierzu die Kontrastkanten im Ausgangsfoto und verstärkt die Konturen. Somit kann das gewünschte Bild besser durch einen Faden abgebildet werden, als man es jemals von Hand umsetzen könnte. In dunklen Bildbereichen wird mehr Faden verlegt als in helleren. Die Software errechnet hierfür das individuelle Nagelmuster und den genauen Verlauf des Fadenpfades. Im Durchschnitt hämmert die Nagelmaschine pro Bild rund 8.000 Nägel in die Polystyrol Grundplatte. Die Fadenmaschine spannt danach durchschnittlich rund 1200 Meter Faden zwischen die Nägel. Die Maschinen baute Gall mit seinem Team von Grund auf selbst – sie sind weltweit die einzigen ihrer Art.
Atemberaubende Geschwindigkeiten
Um die Fadenbilder für die Kunden erschwinglich zu machen, müssen die Maschinen die Bilder in einer hohen Geschwindigkeit und Präzision erzeugen. Gall setzte hier aufgrund der hohen Beschleunigungen von Anfang an auf Leichtbau und verarbeitete viel Carbon. Die Fadenmaschine spannt rund 50 Zentimeter Faden in der Sekunde zwischen die Nägel. Um dies zu erreichen, beschleunigt die Maschine mit 5 g, da die einzelnen Fadensegmente von Nagel zu Nagel jeweils nur wenige Millimeter bis Zentimeter lang sind. Im Prozess ist es kaum möglich dem Fadenzieher mit den Augen zu folgen. Vor dem Ziehen der Fäden muss aber noch die Nagelmaschine die Nägel in die Kunststoffplatte hämmern.
Dies geschieht ebenfalls in einer hohen Geschwindigkeit von rund 12 Nägeln pro Sekunde. Im Nagelprozess kommen dann die Präzisionswerkzeuge von Horn ins Spiel. Im Nagelkopf der Maschine sind zwei gegenüberliegende Schneidplatten des Typs S274 eingespannt. Die Schneideinsätze fungieren nicht wie sonst zum Drehen oder Fräsen, sondern als eine Art Kneifzange. Für einen scharfen und präzisen Schnitt sind diese schleifscharf und mit einem kleinen Keilwinkel geschliffen. „Den Aluminiumdraht führt die Maschine von einer Rolle zu. Im Prozess hämmert der Nagelkopf den Draht auf die errechnete Stelle und schneidet diesen mit den Schneidplatten auf die präzise Länge von 20 mm ab“, erklärt Gall. Die Präzision und Zuverlässigkeit beim Nageln ist sehr wichtig. Wenn aus rund 8.000 Nägeln einer nicht richtig sitzt oder rausfällt, funktioniert das ganze Bild nicht mehr. „Die erste Anfrage von Herr Gall war für uns etwas ungewöhnlich, da unsere Werkzeuge hauptsächlich nur in der Zerspanung zum Einsatz kommen. Aber auch für solche speziellen Anwendungen entwickeln wir passende Werkzeuglösungen“, so der Horn-Außendienstmitarbeiter Jürgen Schmid.
Hohe Präzision
Die Wendeschneidplatte kommt hauptsächlich beim Drehen von präzisen Bauteilen zum Einsatz. Durch den Präzisionsplattensitz liegt die Wechselgenauigkeit bei unter 0,003 mm. Bei der Bearbeitung von Drehteilen mit kleinen Durchmessern muss die Spitzenhöhe des Werkzeugs exakt vermessen sein. Schon kleinste Abweichungen in der Spitzenhöhe wirken sich beim Bearbeiten negativ auf die Qualität des Werkstücks aus. Im besten Fall sollte der Maschinenbediener die Wendeschneidplatte drehen können, ohne die Spitzenhöhe neu einstellen zu müssen. Dies ermöglicht der präzise Umfangsschliff der Schneidplatte in Verbindung mit dem stabilen Plattensitz.
Die Präzision und Schärfe ist beim Schneiden der Nägel sehr wichtig. Liegen die Schneiden zu weit auseinander oder sind im Winkel zueinander verdreht, entsteht kein präziser Schnitt des Aluminiumdrahtes. Des Weiteren dürfen sich die Schneiden beim Schnitt nicht berühren, da die scharfe Schneidkante sonst ausbricht. „Wir sind froh, dass wir zusammen mit Horn eine passende Werkzeuglösung gefunden haben, welche genau unseren Anforderungen entsprechen“, so Gall.